„Für mich hat dieser Einsatz eine grundlegende Veränderung in meinem Leben bedeutet."

Im Jahr 2018 haben wir unsere Fachkraft Katharina Knoblauch nach Nicaragua ausgesandt. Katharina unterstützte dort 6 Jahre lang die lokale Organisation „Nueva Imagen de la Mujer“, die sich für Frauen einsetzt, die den Ausstieg aus der Prostitution schaffen möchten. Drei Wochen nach ihrem Einsatzbeginn kam es in Nicaragua zu heftigen Unruhen. Auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder Krisen wie die Pandemie, wachsende Armut und Inflation. Auf unserer Fachtagung im April zum Thema „Entwicklungszusammenarbeit – ein Auftrag für uns als Christen?“ haben Katharina, Hellen Castro, die Leiterin von Nueva Imagen, und Coworkers Projektmanager Matthias Nagel im Rahmen einer Podiumsdiskussion über die Erfahrungen in diesen Krisenzeiten gesprochen.

Wie hat die Zusammenarbeit während der Krisenzeiten funktioniert und welche Rolle hat euer Glaube dabei gespielt?

Katharina: Krisen schweißen zusammen und zeigen, was wirklich wichtig ist. Das einzige, was wir tun konnten, war beten. Ohne Gott und den Glauben wäre ich hoffnungslos gewesen und wahrscheinlich auch abgereist. Aber in dem Bewusstsein meiner Berufung vertraute ich darauf, dass alles, inklusive der Krisen, in Gottes Hand liegt. Für die Einheimischen war meine Entscheidung zu bleiben ein starkes Zeugnis. Es war für sie ein Zeichen dafür, dass wir ein Leib sind und dass Gott sie nicht alleine lässt. Auch wenn ich nicht viel tun konnte, hat es oft gereicht, einfach nur vor Ort zu sein und den Menschen beizustehen.

Hellen: Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie war die Zusammenarbeit mit Coworkers ein großer Segen. Während in Nicaragua das Leben eigentlich wie gehabt weiterging, hattet ihr in Deutschland mit Herausforderungen und grundlegenden Veränderungen zu kämpfen. Beeindruckend für uns war, dass ihr euch trotz eurer persönlichen Krise um uns gesorgt habt: Seien es die Gebete, die Nachrichten oder die Gedanken, die ihr mit uns geteilt habt. Diese selbstlose Fürsorge war sehr ermutigend.

Matthias: Ich erinnere mich an eine Mail von Hellen in dieser Zeit, in der sie etwa Folgendes schrieb: „Wir beten für euch! Ihr habt ja in Deutschland nicht so viel Erfahrung, wie man mit Krisen umgeht.“ Ich dachte mir, dass sie recht hat – im Umgang mit Krisen können wir viel von den Menschen in Nicaragua lernen, für die solche schwierige Situationen oft der Alltag sind. Und das ist ein Punkt, über den in der Entwicklungszusammenarbeit wenig gesprochen wird: Natürlich geben wir als Organisation sehr viel an unsere Partner weiter, aber wir empfangen auch sehr viel.

Was kann ein Fachkrafteinsatz bewirken? Ist es nötig und sinnvoll, auf solch kleiner Ebene zu investieren?

Hellen: Die neuen Perspektiven, die durch die Zusammenarbeit gewonnen werden, sind ein Segen. Rückblickend erkennen wir einen positiven Einfluss auf unsere Arbeit durch die acht Jahre Entwicklungszusammenarbeit mit zwei Coworkers Fachkräften. Essentiell für den Erfolg war die Einstellung der Fachkräfte, uns nicht belehren zu wollen. Es ging vielmehr um Gemeinschaft, gegenseitige Lernbereitschaft und das Teilen von Erfahrungen. Die Community um uns herum wurde ebenfalls positiv beeinflusst, weil die Menschen den Schritt aus der Komfortzone Deutschland nach Nicaragua nicht verstehen konnten. Dadurch haben sich viele gute Gespräche ergeben: Glaube, Liebe und Gemeinschaft waren Thema. Es geht nicht nur darum, zu helfen, sondern das Leben miteinander zu teilen und einander zu bereichern.

Katharina: Für mich hat dieser Einsatz eine grundlegende Veränderung in meinem Leben und Denken bedeutet. Es war nicht nur ein nine-to-five Job, den man abhaken konnte. 24/7 mit den Menschen einer anderen Kultur Zeit zu verbringen, hat mich positiv beeinflusst. Beziehungen und Menschen zu priorisieren, ist ein Prinzip, das die Nicaraguaner leben und die Bibel uns lehrt. Das ist mir besonders wichtig geworden. Die Demut, die die Menschen dort vorleben, ist mir auch zum Vorbild geworden. Wir können nicht Lösungen zu allen Problemen finden. Wir sind einfach nicht Gott. Das durfte ich vor Ort nochmal neu lernen und erleben. Manche kulturellen Dinge verstehe ich zwar bis heute nicht, aber wichtig ist: Jede Kultur ist Teil des Reiches Gottes.