Emma macht ihr Fachpraktikum bei einer NGO, die Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution unterstützt. Und das in einem der größten Sextourismus-Hotspots der Welt. Kein leichtes Umfeld, denken sich da viele zurecht. Emma gibt einen authentischen Einblick in ihren Alltag.
Ich werde immer mal wieder gefragt, wie meine Arbeit hier so läuft und ob mich die Schicksale der Frauen in den Bars sehr beschäftigen. Ich vermute, dass der Hintergedanke dieser Frage oft der ist, dass die Bargirls mehr oder weniger im Menschenhandel gefangen sind und darin viel Schmerz und Leid erleben. Und das ist auch so. Doch aufgrund der damit verbundenen Scham reden die Frauen nicht oft darüber. In diesem Sinne kann ich euch beruhigen: Ich werde meistens von den Details der Arbeit verschont und nur ganz selten bekomme ich Lebensgeschichten erzählt, mit denen ich aber ganz gut umgehen kann. Neulich haben wir im Team für alle unsere Familien, Länder und Regionen gebetet. Dabei durfte jeder seine Gebetsanliegen und Sichtweisen teilen.
Und genau da sind mir Geschichten begegnet, die so ziemlich das Worst-Case-Szenario für wahrscheinlich viele von uns darstellen. Doch das, was die Frauen am schlimmsten finden, ist nicht die ehemalige Prostitution, der Menschenhandel oder die Folgen davon, sondern die Sorgen um ihre Familie und ihre Heimatdörfer. Fast jede der Frauen erzählte von Drogenproblemen und Alkoholismus, von Schießereien und Ermordungen in der eigenen Familie, von Todesfällen, von Drogen, riesigen Schulden, Unfrieden, Streit, häuslicher Gewalt, Verkehrsunfällen. Die Liste ließe sich weiterführen. Mich hat die Fülle dieser Geschichten, die alle sehr ähnlich waren, bewegt. Noch mehr hat mich aber berührt, wie die Frauen damit umgehen. Die Mädels erzählen beispielsweise von ihrem drogensüchtigen Bruder, zu dem sie schon lange nicht mehr durchgedrungen sind und bei dem eine Überdosis nur eine Frage der Zeit ist und im gleichen Satz erzählen sie von Gottes Versorgen und Treue in ihrem Leben. Obwohl sie erst wenige Wochen bis Jahre in unserem Zentrum leben, wirkt Gott so stark in ihrem Leben, dass sie gewiss sind, dass er auch für ihre Familien daheim sorgen wird! Das zu hören ist sehr ermutigend und eine Erinnerung in vielerlei Hinsicht.
Zum einen für mein eigenes Leben: Gott versorgt mich allem was ich brauche und ich habe genügend Wunder erlebt, um mir wirklich sicher zu sein, dass er bei mir ist und dass er genauso bei den Menschen ist, die mir wichtig sind und sich genauso sehr um sie sorgt! Zum anderen gilt diese Wahrheit für jedes einzelne der Mädchen, denen ich hier in den Bars begegne. Die Frauen bei Tamar haben den gleichen Hintergrund und Gott hat so radikal in ihr Leben eingegriffen. Und das gilt auch für jeden Menschen, dem ich auf der Straße, am Arbeitsplatz, im Wohnhaus, im Bus, im Laden, in der Gemeinde, etc. begegne. Es ändert sich nichts an Gottes Omnipräsenz! Er ist da und wird dableiben. Er versorgt und wird immer versorgen. Er liebt und wird immer lieben. Er verändert und wird auch damit nicht aufhören. Diese Wahrheit ändert meinen Blick auf mein Gegenüber, hält Hoffnung am Leben und lässt mich Dinge, die ich nicht in der Hand habe an Gott abgeben. Er wird sich darum kümmern. Ich darf vertrauen.