Wenn Jesus Geister vertreibt

Projekte – IDEA-Artikel im Christenverfolgung Spezial 2022

Kolumbien - Vom eigenen Stamm diskriminiert und bedroht: Indigene Christen stehen in Kolumbien unter Druck, denn ihr Umfeld sieht in ihnen eine Bedrohung. Was steckt dahinter? Ein Beitrag im IDEA Christenverfolgung Spezial 2022.

Bis zu drei beschwerliche Tage benötigen die Mitarbeiter der Partnerorganisation RELIEC – einem Netzwerk indigener Christen –, um mit dem Boot eines der etwa 87 indigenen Völker Kolumbiens zu erreichen. Seit Jahren verkünden sie unter ihren eigenen Volksgruppen das Evangelium. Eine Mammutaufgabe: In nur zehn der 65 kürzlich besuchten Stämme gibt es Gemeinden. Aus einigen Gebieten berichten die wenigen Christen von Spannungen aufgrund ihres Glaubenswechsels. Es kommt sogar zu Vertreibung, Entführung, Folter oder Morddrohungen. „Die indigene Verwaltung bedroht uns permanent und gibt offen zu, dass sie das evangelikale Christentum auslöschen möchte“, erzählt ein Mann aus dem Stamm der Kogi, der im Norden Kolumbiens siedelt. Die indigenen Stämme Kolumbiens praktizieren einen okkulten Ahnenglauben, teilweise vermischt mit Elementen des traditionellen Katholizismus.

Ein neuer Lebensstil
Indigene leben normalerweise ein Leben lang innerhalb ihrer Stammesverbände. Ein Umzug in ein anderes Gebiet ist äußerst selten. Indigene, die Christen werden, bleiben also meist weiterhin Teil ihrer bisherigen Gemeinschaft und sind auf ein gutes Miteinander mit ihren traditionell lebenden Stammesmitgliedern angewiesen. Weil Christen nicht länger an religiösen Handlungen teilnehmen, sehen diese den Zusammenhalt bedroht. Ein Angehöriger des Stammes der Wiwa erklärt es so: „Bestimmte Rituale sind sehr wichtig für unseren Stamm. Sie müssen eingehalten werden.“ Doch manche Praktiken – etwa die Verehrung von Geistern, Rituale im Übergang zum Erwachsenenalter oder der Gang zum Schamanen – widersprechen der Bibel und dem neuen Lebensstil der Christen.


Zwangsarbeit für Gottesdienste
In ihrer Angst, dass kulturelle Traditionen verloren gehen und die Stammesgemeinschaft geschwächt wird, diskriminiert der Stamm seine christlichen Mitglieder oder verbietet ihnen, den christlichen Glauben auszuleben. Noelia (Name geändert) aus einem Stamm an der Pazifikküste erzählt: „Wir sind fünf christliche Familien und treffen uns heimlich zum Gottesdienst und um gemeinsam zu beten. Werden wir entdeckt, bestraft der Stammesvorsteher uns mit einer Woche Zwangsarbeit, und wir bekommen nur eine Mahlzeit am Tag. Diese Strafen sind für uns zur Normalität geworden, so dass wir uns weiterhin treffen, um Zeit mit Gott zu verbringen. Wir wissen, dass wir bestraft werden, aber das nehmen wir in Kauf.“


Zwischen zwei Rechtssystemen
Verschärft wird die Situation der indigenen Christen noch zusätzlich durch das kolumbianische Rechtssystem. Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit. Gleichzeitig räumt sie den Indigenen in ihren Territorien eine gewisse Art der Autonomie mit eigener Rechtsprechung ein. Hintergrund ist der Respekt vor der Lebensweise der Indigenen sowie der Wille zum Schutz ihrer Kultur. In der Folge entstehen immer wieder rechtliche Pattsituationen: Wendet sich ein Indigener hilfesuchend an die Polizei, greift diese oft nicht ein und verweist auf die Rechtsprechung innerhalb der Stämme. So geschah es 2021, als 20 Christen des Stammes der Kogi auf Anordnung des indigenen Gouverneurs verhaftet wurden. Unter Schlafentzug wurden sie jeden Tag ermahnt, den christlichen Glauben abzulegen. Erst nach einem Monat intervenierte das Büro der kolumbianischen Menschenrechtsvertretung, und die Christen wurden freigelassen.


Angst vor „Verwestlichung“
Die Vorbehalte der traditionellen Indigenen liegen nicht nur in der unterschiedlichen Lebensweise begründet, sondern haben auch einen geschichtlichen Hintergrund. Der Häuptling der im Norden siedelnden Arhuaco erzählt, dass sein Stamm in den 80er Jahren
katholische Mönche vertrieb. Denn: „Sie hatten Eltern ihre Kinder weggenommen und in ein Klosterinternat gebracht, damit die Kleinen die richtige Religion annehmen würden. Außerdem wurde ihnen verboten, ihre Stammessprache zu sprechen.“ Diese „Verwestlichungsprojekte“, wie er sie nennt, haben Ängste erzeugt, die bis in die Gegenwart reichen. In diesem Bewusstsein entsendet RELIEC ausschließlich Missionare, die selbst Indigene sind. Sie haben ein Gespür für die besondere Lebensweise der Stämme und praktizieren noch viele Stammestraditionen und -lebensweisen weiter – solange diese nicht ihrem christlichen Glauben widersprechen. Sie können Gottes Wort kulturell verständlicher und behutsamer vermitteln und werden von der Bevölkerung besser akzeptiert. Sie teilen die Hoffnung von Noelia: „Wir vertrauen auf Gott, dass sich unsere ganze Gemeinschaft irgendwann um die Botschaft Christi versammeln wird. Wir werden weiter durchhalten. Wir werden nie aufgeben!“

 

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