Die Fußball-Weltmeisterschaft 2023 ist Geschichte. Zumindest was das Sportliche angeht. Viel war vorab über das sportliche Großevent berichtet, diskutiert und bewertet worden. Es hagelte Kritik von vielen Seiten. Unter anderem war sie aufgrund der Vielzahl an Kontroversen als „WM der Schande“ bezeichnet worden: die Vergabe, die Menschenrechtslage, tote Gastarbeiter auf WM-Baustellen, politische Meinungen … Die Aufmerksamkeit der Welt auf den kleinen, reichen Wüstenstaat wird in den nächsten Tagen und Wochen weiterziehen und sich anderen Themen widmen. Dass die Situation vor Ort aber durchaus anders als in den westlichen Ländern eingestuft werden kann, darüber sind sich zahlreiche Nepalesen einig.
„Ich kann es selbst kaum glauben, dass in Nepal die Lage für die Gastarbeiter als weitaus weniger schlimm wahrgenommen wird als bei uns in Deutschland“, so berichtet Tobias Köhler von Coworkers. Er war Anfang Dezember in Nepal, um im Rahmen seiner Tätigkeit dortige Partnerorganisationen zu besuchen. „Nachdem dies gerade bei uns ein sehr aktuelles Thema war, hat mich natürlich auch interessiert, wie die Nepalesen selbst die Situation wahrnehmen. Von allen Seiten besteht eigentlich eine gewisse Nüchternheit: Im Ausland verdiene man Geld, das man in Nepal selbst nicht verdienen kann.“
Hinzu kommt, dass die Arbeitsmigranten mit 25% auch einen erheblichen Beitrag zum nationalen Bruttoinlandsprodukt leisten: Etwa die Hälfte der schätzungsweise 5,4 Millionen Haushalte in Nepal erhalten Geldüberweisungen, die für Familien, die keine andere Einkommensquelle haben, lebenswichtig sind.
Zum Geld verdienen ins Ausland
Die meisten reisen über den Landweg ins Nachbarland Indien, daneben verlassen jeden Tag knapp 2.000 Arbeiter Nepal über den internationalen Flughafen in Kathmandu, um in rund 170 Ländern zu arbeiten. Ihre Arbeitsverträge führen sie insbesondere nach Qatar, Malaysia, VAE und Saudi-Arabien. Dabei sind aber auch etwa 1.200 Nepalesen im vergangenen Jahr im Ausland verstorben, sei es durch Erkrankungen, unnatürliche Todesfälle, Selbstmord oder Verkehrsunfälle.
„Auf meinem Heimflug saß ich neben einem Nepalesen, der für drei Jahre nach Qatar ging – unter Tränen telefonierte er mit seiner Frau bis die Verbindung nach dem Start in der Luft abbrach“, berichtet Köhler von einer Begegnung. Andere wiederum berichten recht gelassen von ihrer Arbeit im Ausland, einige sind bereits zum wiederholten Male auf dem Weg in die Fremde.
Anderen Reichtum gefunden
„Was die häufig auch zu Recht kritisierte Lage für die Gastarbeiter definitiv nicht besser macht, aber uns aus christlicher Sicht freuen darf, dass Nepalesen im Ausland nicht selten auch Jesus kennenlernen,“ so Köhler. Eine Partnerorganisation von Coworkers engagiert sich unter diesen Gastarbeitern: Gegründet von Nepalesen, die selbst als Hindus ins arabische Ausland gereist sind, um zu arbeiten, und dort Christen geworden sind. In einigen Ländern entstehen unter den Gastarbeitern Gemeinden, berichten die Verantwortlichen. „Da die Rückkehr in ihre hinduistischen Familien häufig nicht einfach ist, begleiten und unterstützen wir die jungen Christen und helfen ihnen, in ihren Herkunftsorten Heimat in Gemeinden zu finden. Daneben ist es uns auch ein Anliegen, nepalesische Familien in der Not zu unterstützen, wenn ihre Angehörigen im Ausland einen Unfall erlitten haben oder umgekommen sind. Hier helfen wir in rechtlichen Fragen, beraten und begleiten sie und dürfen hier immer wieder auch Zeugnis von unserem Glauben geben.“
Erste Christen vor 70 Jahren in Nepal
In einem Land wie Nepal nicht selbstverständlich. In westlichen Regionen ist der südasiatische Staat besonders für sein Himalaya-Gebirge und den Mount Everest bekannt. Die vorherrschende Religion ist der Hinduismus. Obwohl das Land offiziell säkular ist, gibt es doch manche Einschränkungen, die insbesondere über den Christen und Missionsbemühungen schweben: Das „Anti-Konversions-Gesetz“ stellt diese auch unter Strafe. Trotz allem wächst die Zahl der Gläubigen und Nepal gehört heute zu den Ländern, wo sich das Christentum mit am schnellsten ausbreitet: Erst vor rund 70 Jahren kamen die ersten Menschen zum Glauben, sodass hier viele junge Christen der ersten und zweiten Generation leben. „Die Begegnung mit Geschwistern, die trotz Anti-Konversions-Gesetz weiter Gemeinden gründen, bis nach Tibet hinein, das war sehr ermutigend“, so Köhler.
Missstände bleiben Missstände
Missstände sind Missstände, in Katar wie in Deutschland. Und nur weil Menschen keine wirkliche Freiheit haben, ihre Arbeit und den Arbeitsort zu wählen, macht es die Arbeitsbedingungen nicht besser. Es bleibt zu wünschen, dass weiterhin auf Missstände hingewiesen wird und Bedingungen besser werden – sei es in Katar, Nepal oder auch bei uns in Deutschland.
Coworkers unterstützt verschiedene Projekte unter Nepalesen, unter anderem:
Erste Katastrophenhilfe im Himalaya
Evangelisation im Badi-Stamm